Wie funktioniert Gamification?

Wie funktionieren Gamification, Serious Games oder Game-based Learning eigentlich?

Zum heutigen Stand der Forschung berichten Studien, welche den Einsatz und die Auswirkungen von Gamification oder Serious Games untersuchen, überwältigend positive Ergebnisse, zum Beispiel im Hinblick auf Motivation, Engagement und Zufriedenheit der Nutzer in diversen Anwendungskontexten. Wie Gamification diese psychologischen Effekte und Verhaltensänderungen erzielt, wird jedoch gerade erst untersucht.

Unsere Forschung zeigt: Gamification basiert auf zehn theoretischen Prinzipien.

Für die wissenschaftlichen Hintergründe, die zugrundeliegenden Theorien und die vollständige Beschreibung referenzieren wir hier gerne auf unseren Journal-Artikel, der Open Access verfügbar ist: https://doi.org/10.1016/j.chb.2021.106963 .

1. Gamification setzt klare, transparente Ziele

Spielelemente wie Badges, Abzeichen und Quests funktionieren wie Mini-Ziele, die dem Nutzer klar illustrieren, welche Ziele erreicht werden sollen. Dabei brechen sie ein großes Überziel, zum Beispiel das Erlernen einer neuen Sprache, spielerisch auf kleine, erreichbare Unterziele herunter.

2. Gamification erlaubt es Nutzern, ihre eigenen Ziele zu verfolgen.

Für das subjektive Bedürfnis nach Autonomie ist es wichtig, dass Menschen das Gefühl haben, selbst über ihre Ziele und ihre Handlungen entscheiden zu dürfen. Dies steigert nachweislich die Motivation. Spielelemente, die klassischerweise für die eigene Zielsetzung eingesetzt werden, sind zum Beispiel Leistungsstatistiken (ich setze mir ein eigenes Leistungsziel wie 7.000 Schritte am Tag und sehe dann, ob ich mein Ziel erreicht habe) oder Ranglisten (Ziel: Die Top 10 erreichen).

3. Gamification gibt Nutzern direktes Feedback zu ihrem Verhalten.

Direktes und zeitnahes Feedback ist wichtig, um Menschen das Gefühl zu geben, dass sie erfolgreich auf ein Ziel hinarbeiten und die Herausforderung meistern können (Selbstwirksamkeit). Punkte, Level, Fortschrittsbalken, aber auch verstärkende Nachrichten des Systems ("Klasse, du bist heute schon 3.000 Schritte gegangen!") dienen diesbezüglich als Spielelemente, die dem Nutzer direktes Feedback zu seiner Leistung ermöglichen.

4. Gamification belohnt Nutzer für ihre Leistung und kommuniziert deren Relevanz.

Besonders traditionell behavioristische Ansätze betonen die Wichtigkeit von Belohnungen, um ein gewünschtes Verhalten zu bestärken. Es wird jedoch häufig diskutiert, inwiefern extrinsische Belohnungen, also so etwas wie Geld oder Noten, die intrinsische Motivation von Menschen sogar negativ beeinflussen (ich mache die Grammatikübungen dann nicht mehr, um eine Sprache zu lernen, sondern weil ich am Ende eine Klausur schreiben muss, und dort eine gute Note erreichen möchte). Gamification-Elemente wie Abzeichen, Trophäen, in-game Status Symbole oder virtuelle Geschenke stellen hingegen Belohnungen dar, die zwar außerhalb des Systems keine große Bedeutung haben mögen, dafür allerdings die Relevanz einer bestimmten Leistung hervorheben und in ihrer Natur also eher informativ als kontrollierend sind (nach der kognitiven Evaluationstheorie ein wichtiger Faktor für die Motivation).

5. Gamification erlaubt es Nutzern, die Leistung ihrer Mitspieler zu sehen.

Viele Lerntheorien, allen voran die sozialkognitive Lerntheorie, heben die Wichtigkeit von beobachtendem Lernen hervor: Menschen lernen, indem sie sehen, wie andere Menschen eine Herausforderung meistern, was zudem ihre eigene Selbstwirksamkeit (ich glaube, dass ich es auch schaffen kann) unterstützt. Gamification-Elemente wie Wettbewerbe, Herausforderungen und Ranglisten erlauben es Nutzern, die Leistung ihrer Mitspieler zu sehen und sich mit ihnen zu messen. Austauschforen und Threads können außerdem den gegenseitigen Wissensaustausch unterstützen.

6. Gamification verbindet Nutzer und lässt sie auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.

Die Theorie des geplanten Verhaltens betont, dass es für das Verhalten von Menschen neben ihrer Einstellung auch die subjektive Norm eine große Rolle spielt, also der persönliche Glaube welches Verhalten andere von ihnen erwarten. Spielelemente wie Teams und Teamherausforderungen bringen Nutzer dazu, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, und üben somit "sozialen Druck" in Richtung des gewünschten Verhaltens aus.

7. Gamification passt Aufgaben und Komplexität den aktuellen Fähigkeiten und Wissensstand des Nutzers an.

Gerade bei komplexeren Verhaltensumstellungen (wie nachhaltiges Verhalten) oder schwierigen Zielen ist es wichtig, Nutzer auf ihrem aktuellen Wissensstand abzuholen und nicht zu über- oder unterfordern. Gamification erlaubt eben diese individuelle Anpassung durch Elemente wie Fähigkeitenbäume und Level, die als Grundlage für die Schwierigkeit von Aufgaben und Herausforderungen dienen. Fortgeschrittene Serious Games nutzen inzwischen sogar maschinelles Lernen und Algorithmen, um den aktuellen Wissensstand des Nutzers zu erfassen und die Schwierigkeit des Spiels entsprechend dynamisch anzupassen.

8. Gamification "stupst" Nutzer in Richtung der Aktionen, die notwendig sind, um das Ziel zu erreichen.

Neben der dynamischen Anpassung der Schwierigkeit (das richtige "Fordern") ist laut den konstruktivistischen Lerntheorien auch Coaching (das richtige "Fördern") eine wichtige Voraussetzung für Lernprozesse. Spielelemente wie Tipps, Hinweise, Vorschläge oder die Hervorhebung von Elementen im System weisen den Nutzer spielerisch darauf hin, was als nächstes zu tun ist.

9. Gamification erlaubt es Nutzern, verschiedene Wege auszuprobieren, um ein Ziel zu erreichen.

Die experimentellen Lerntheorien betonen die wichtige Rolle des Erfahrungslernens für die Wissensbildung (das typische "Learning by Doing"), das heißt, Menschen müssen eigene Erfahrungen machen, um aus ihnen lernen zu können. Hier kommen insbesondere Serious Games ins Spiel, die es Nutzern in geschützten, virtuellen Umgebungen erlauben, verschiedene Verhaltensweisen auszuprobieren. Aber auch Gamification-Elemente wie Fähigkeitsbäume erlauben es dem Nutzer, sich autonom zu entscheiden, wie er seine Ziele erreichen möchte.

10. Gamification-Systeme sind gewöhnlich nutzerfreundlich und vereinfachen komplexe Inhalte.

Forschung aus dem Bereich der Informationssysteme, wie das Technologieakzeptanzmodell, aber auch Theorien zur kognitiven Belastung legen nahe, dass es wichtig ist, dass Nutzer Systeme einfach benutzen können müssen, damit sie motiviert bleiben und das gewünschte Verhalten verfolgen. Je komplexer ein System ist, desto schwieriger fällt es dem Gehirn, sich auf die Verarbeitung der wesentlichen Inhalte zu konzentrieren. Entsprechend helfen Serious Games oder Gamification dabei, komplexes Verhalten in kleine, greifbare Aktionen herunterzubrechen und in virtuellen Umgebungen die Komplexität der realen Welt zu abstrahieren. Typischerweise helfen auch Onboarding-Features dabei, den Nutzer schnell an die Funktionalitäten des Systems heranzuführen.

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